Größte Last der Karriere abgefallen

Event-Datum: 
Donnerstag, 23 Februar, 2017

Doppelweltmeister – zunächst in der Mixed-Staffel und am vergangenen Sonntag im Massenstart gewann Simon Schempp von der Ski-Zunft Uhingen bei der Biathlon-Weltmeisterschaft im österreichischen Hochfilzen jeweils die Goldmedaille. Bevor es im Weltcup mit den Stationen ­Pyeongchang, Kontiolahti und Oslo weitergeht, nahm sich der vielgefragte 28-Jährige Zeit für ein Interview mit der NWZ.
 
Mit ein wenig Abstand zum Titelgewinn: War der vergangene Sonntag mit der WM-Einzelmedaille in Gold der wichtigste Tag in Ihrer Karriere?
Simon Schempp: Es gab natürlich auch in der Vergangenheit Schlüsselrennen, etwa wichtige Qualifikationen, aber der Sonntag war sicher das wichtigste Rennen auf dem höchsten Niveau. Mit diesem Sieg ist die bislang größte Last meiner Karriere von mir abgefallen. Ich bin davor so oft mit der Frage nach der fehlenden Einzel- WM-Medaille konfrontiert worden und musste mich für Top-Ten-Plätze rechtfertigen. Das war endlich das absolut perfekte ­Rennen.
 
Blieb denn schon Zeit für ein privates Glas Sekt mit Ihrer Freundin Franziska Preuß?
Schempp: Wir haben an den letzten beiden trainingsfreien Tagen mal mehr Zeit miteinander verbringen können. Sie war zwar auch in Hochfilzen zwischendurch vor Ort, aber Wettkampftage sind von den vorgegebenen Abläufen diktiert.
 
Hat es denn auch schon für Kontakte mit Ihren Eltern und den Fans gereicht?
Meine Eltern waren in Hochfilzen dabei und wir haben uns noch am Sonntagabend getroffen, mit meinem Fanclub hatte ich telefonisch Kontakt, als dieser mit dem Bus Richtung Uhingen unterwegs war.
 
Die Liste der Gratulanten dürfte lang sein. Welcher Glückwunsch hat Sie besonders gefreut?
Besonders beeindruckt hat mich der Glückwunsch von Thomas Müller, ich war sehr überrascht und fühle mich enorm geehrt. Ich bin in meiner Karriere schon mit ein paar Sportlern zusammengekommen, aber Fußballer sind für uns eigentlich unnahbar – und dann gratuliert mir einer der besten deutschen Fußballer.
 
Sie haben den Fußball-Weltmeister zu sich nach Ruhpolding eingeladen, wenn er statt auf Tore auch mal auf Scheiben schießen will. Haben Sie vom Star Ihres Lieblingsvereins Bayern München schon eine Antwort erhalten?
Nein, bislang noch nicht.
 
Bereits vor dem Wettkampf am Sonntag haben Sie von Ihrem ­Mentaltrainer eine Nachricht mit wichtigem Inhalt bekommen. Verraten Sie uns, was drinstand?
Zum Inhalt selbst möchte ich nichts sagen, das ist zu persönlich. Wir hatten direkt vor Wettkämpfen nie Kontakt, weil ich das nicht wollte. Thomas Baschab hatte aber am Vorabend das Gefühl, dass er mir etwas schreiben sollte. Also bot er mir an, die SMS nur zu lesen, wenn ich es will – ich habe sie gelesen und gegrinst. Es war eine gute Einstimmung und ist sportlich gesehen die wichtigste SMS meines Lebens. Ich werde sie nicht löschen und rennbezogen sicher wieder hervorziehen.
 
Ihr Zimmerkollege Benedikt Doll gewann in Hochfilzen im ersten Einzel-Wettkampf Sprint-Gold. Im Massenstart schien er lange an der Spitze für Sie das Feld zu bereiten oder täuschte der Eindruck?
Abgesprochen war jedenfalls nichts, so etwas hilft mir auch nicht. Ich habe über weite Strecken einfach Körner aufgehoben, denn ich wusste, dass es nur über die null Fehler am Schießstand geht und dann auf die letzte Runde ankommt.
 
Auf dieser haben Sie Ihren letzten Konkurrenten um Gold, den Österreicher Simon Eder, am gleichen Anstieg stehen lassen, an dem Sie tags zuvor in der Staffel gegen Eders Teamkollegen Landertinger das Nachsehen hatten. Die Rampe hängt nach links, Landertinger ist Linkshänder, ein Vorteil?
Da ist in der Tat etwas dran. Ich laufe gerne auf rechts, Landertinger hatte mit dem starken linken Arm vielleicht einen kleinen Vorteil, aber ausschlaggebend war das letztlich nicht.
 
Nach ihrem Massenstart-Sieg haben Benedikt Doll und Arnd Peiffer Sie auf ihre Schultern gehoben, der Zusammenhalt der deutschen Biathleten scheint gut?
Im Wettkampf ist jeder allein unterwegs, jeder läuft und schießt für sich. Aber wir verstehen uns alle gut, die Stimmung passt.
 
Allzu viel Zeit zum Feiern bleibt einem Weltmeister im Spitzensport meist nicht, wie geht es im Weltcup weiter?
Nach zwei freien Tagen habe ich gestern wieder trainiert. Am Samstag fliegen wir nach Südkorea, wo am darauffolgenden Wochenende die Wettkämpfe in ­Pyeongchang anstehen. Ich sehe das Olympiagelände von 2018 zum ersten Mal. Es ist von Vorteil, wenn man eventuelle Tücken der Strecke oder des Schießstandes erkennen und ins Training einfließen lassen kann.
 
Noch sieben Einzelrennen stehen im Weltcup aus, hinter Martin Fourcade (1020 Punkte) liegen Anton Shipulin (690) und Simon Schempp (673)  nur 17 Zähler auseinander. Ist der Russe noch zu packen?
Platz zwei im Gesamtweltcup ist für mich noch möglich und es wäre super, wenn es klappt. Das werden spannende drei Wochen und abgerechnet wird am Schluss.
 
Beim Saisonfinale in Oslo steht noch einmal ein Massenstart auf dem Programm. In dieser Disziplin führen Sie die Weltcup-Wertung an und könnten erstmals eine solche Einzeldisziplin auch gewinnen. Ist das ein besonderer Anreiz?
Natürlich, es schaut gut aus und ich habe es in der eigenen Hand. Siegt allerdings Fourcade, der ja einmal mehr die Gesamtwertung gewinnen wird, muss ich nah dranbleiben, damit es reicht. Ich benötige also auf jeden Fall einen super Tag in dem Renn-Format, in dem ich diesen Winter meine besten Wettkämpfe abgeliefert habe.
 
Und nach einer langen, kräftezehrenden Saison kommen Sie dann nach Uhingen, um mit Ihren Fans im Uditorium Ihre Erfolge zu feiern?
Das ist bereits angedacht, allerdings müssen wir noch einen Termin finden. Es wäre schön, wenn das klappen würde.
 
 
Simon Schempp: Anruf bei den Fans auf der Bus-Heimreise
 
Jubelarie In der Stunde des größten Erfolges ihres Idols waren die Mitglieder des 1. Simon-Schempp-Fanclubs vor Ort: Unter der Regie des Vorsitzenden Willi Hahner, zugleich auch Präsident der Ski-Zunft Uhingen, waren in der zweiten WM- Woche 30 der gut 100 Fanclub-Mitglieder für fünf Tage nach Hochfilzen gereist.  Weitere rund 30 Biathlon-Fans, darunter die Eltern des Doppelweltmeisters, waren in Eigenregie an der Strecke dabei, als Simon Schempp sein Glanzstück im Massenstart ablieferte. Als sich der Fan-Bus längst auf der Heimfahrt nach Uhingen befand, klingelte Willi Hahners Handy – am anderen Ende der glückliche Goldmedaillengewinner. Hahner aktivierte den Handy-Lautsprecher und das Bus-Mikrofon und schon konnte sich Simon Schempp bei allen seinen Anhängern für die Unterstützung bedanken.
Text-Quelle: swp.de/Harald Betz
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geschrieben: 23. Februar 2017 - 11:29 ; letzte Änderung: 18. April 2024 - 12:38