Interview mit Simon Schempp zu den Olympischen Spielen

Event-Datum: 
Dienstag, 6 März, 2018
"Es war schon alles grenzwertig“
 
Simon Schempp ist mit einer Silber- und einer Bronzemedaille von den Olympischen Spielen in Pyeongchang zurückgekehrt. Der erfolgreiche Biathlet von der Ski-Zunft Uhingen reist bereits heute wieder ins finnische Kontiolahti, wo in den kommenden Tagen der Endspurt im Weltcup mit den weiteren Stationen Oslo und Tjumen beginnt. Davor aber berichtet der 29-Jährige von seinen Erlebnissen in Südkorea und ordnet den Saisonverlauf ein.
 
Silber im Massenstart-Rennen und Bronze mit der deutschen Männerstaffel hören sich sehr gut an, wie fällt Ihre Olympia-Bilanz aus?
Simon Schempp: Ich bin mit meinen Rennen und der Ausbeute sehr zufrieden. Nach der Vorgeschichte mit meinen Rückenproblemen, als es im Weltcup alles andere als reibungslos lief, hätte ich vor den Spielen diese Bilanz sofort unterschrieben. Nach den Plätzen sieben und fünf in Sprint und Verfolgung wusste ich, dass ich aus eigener Kraft ganz vorn dabei sein kann, das hat mir Selbstvertrauen gegeben. Der 36. Platz im Einzel zeigte, wie schnell es auch nach hinten gehen kann, wenn man bei der Windeinschätzung falsch liegt. Die Strafminuten hauen dann mächtig rein.
 
Es folgte der Massenstart und ein Krimi um Gold mit Ihnen und Martin Fourcade in den Hauptrollen. Wie haben Sie dieses Duell erlebt?
Viele Menschen haben mir bislang schon bescheinigt, dass es wahnsinnig spannend war. Wir Deutschen haben dieses Rennen super mitbestimmt. Ich habe mich gut gefühlt und konnte jede Tempoverschärfung mitgehen. Am Schluss hätte es für mich gereicht, wenn die Ziellinie einen Meter weiter hinten gewesen wäre. Aber das Ergebnis steht und ich kann mit der Silbermedaille sehr gut leben.
 
Was ging Ihnen auf der Schlussrunde durch den Kopf?
Dass keiner in der Biathlon-Weltspitze Martin Fourcade in der letzten Runde wegläuft. Ich rechnete mir die schlechteren Chancen aus, wenn ich dann als Erster in die letzte Abfahrt gegangen wäre. Also wollte ich am Ende aus dem Windschatten heraus vorbeigehen. Doch Fourcade entschied sich spät für seinen Zielkorridor und nutzte den Vorteil desjenigen, der vorne läuft.
 
War es ein faires Duell?
Ich bleibe dabei, wer vorne läuft, hat den Vorteil. Aber der Biathlon-Weltverband sollte überlegen, ob er die Korridore nicht um 20 Meter verlängert, denn aktuell bleiben so nur fünf Stockschübe. Auch bei der Mixed-Staffel gab es ja Probleme im Schluss-Sprint für Arnd Peiffer.
 
Biathlon hatte bei Olympia hervorragende Einschaltzahlen, Sie starteten stets bei Flutlicht. Ist die TV-Quote das allerwichtigste?
Es war schon alles grenzwertig, ich kam mir vor wie ein Nachtmensch. Wir haben unseren Rhythmus nicht wirklich angepasst, sondern unsere Abläufe im Vergleich zu Europa nur um drei, vier Stunden abgeändert. Wir sind also dort um vier Uhr nachts ins Bett und um 13 Uhr aufgestanden, haben fast alles im Dunkeln trainiert, um uns bei den späten Wettkämpfen zurecht zu finden. Dafür gab es in der Heimat prima Einschaltquoten.
 
Blieb denn Zeit, um auch Olympia- Eindrücke abseits der Langlauf-­Loipe zu sammeln?
Nicht wirklich, bei fünf Starts in 14 Tagen gehört die volle Konzentration den eigenen Wettkämpfen. Für Eröffnungs- und Schlussfeier war keine Zeit, andere Disziplinen haben wir ausschließlich am Fernseher verfolgt.
 
Das Team Deutschland hat sich äußerst erfolgreich und sympathisch präsentiert. Wie schätzen Sie den Auftritt der deutschen Olympioniken ein?
Unser Team war wirklich absolut erfolgreich, die Medaillenausbeute war hervorragend. Das konnte man im Vorfeld dieser Spiele nicht ahnen. Vor allem die Skispringer und die Nordisch Kombinierer habe ich dabei etwas genauer verfolgt. Von unserem Rhythmus abhängig kam es auch zu einzelnen Kontakten im Olympischen Dorf.
 
Nach Vancouver und Sotschi waren die Spiele von Pyeongchang Ihre  dritte Olympia-Teilnahme. Wo war es am schönsten?
In der Summe fanden in Sotschi die schönsten Spiele statt, da hat es für uns Athleten rundum gepasst.
 
Was lief in Südkorea nicht wie gewünscht?
Die Strecken waren super präpariert, am Schießstand war tolle Arbeit geleistet worden, bei den Wettkämpfen gab es nichts zu kritisieren. Aber das Olympische Dorf war viel schlechter als in Sotschi. Wir wohnten sehr eng zu sechst im Appartement, alle Wände waren verschalt, alle Kanten abgeklebt. Auch wenn die Wohnungen im Anschluss bereits vergeben sind, war diese sporadische Lebensweise für uns, die wir drei Wochen dort waren, unwürdig. In der Essenshalle saß ich immer mit Mütze, häufig auch mit der Jacke beim Essen, weil es so kalt war. Am Ende war jeder froh, dass es wieder nach Hause ging.
 
An den folgenden drei Wochenenden biegt der Biathlon-Weltcup auf die Zielgerade ein, bereits am Donnerstag steht in Kontiolahti der Sprint auf dem Programm. Mit welchen Erwartungen gehen Sie an den Start?
Ich möchte aus diesen Rennen das Bestmögliche herausholen, es stehen die drei knackigsten Strecken zum Saisonende auf dem Plan, verbunden mit viel Reisestress. Es wird noch einmal richtig anstrengend, aber ich freue mich auf die Wettkämpfe und hoffe auf einen guten Abschluss. Wenn ich noch Top-Resultate einfahren kann, gibt das Selbstvertrauen für die nächste Saison, zumal gesundheitlich wirklich alles wieder gut ist.
 
Der abschließende Weltcup findet im russischen Tjumen statt, die US-amerikanischen Biathleten boykottieren das Saisonfinale aufgrund des russischen Staatsdopings. Franz Steinle als Präsident des Deutschen Skiverbandes hat einen Boykott ausgeschlossen, will aber jedem Athleten die Entscheidung überlassen, wie er sich verhält. Haben Sie sich schon entschieden?
Nachdem mit Olympia und der Rückreise zuletzt turbulente Tage anstanden, haben wir deutschen Biathleten darüber noch nicht miteinander gesprochen. Nach jetzigem Stand gehe ich davon aus, dass wir dort antreten werden. Schon vor den Olympischen Spielen haben die am Weltcup teilnehmenden Biathleten den Weltverband IBU schriftlich aufgefordert, diesen letzten Weltcup an einen anderen Austragungsort zu verlegen, doch die IBU hat beschlossen, dass es bei Tjumen bleibt.
 
Am Wochenende vor Ostern geht eine lange Biathlon-Saison zu Ende. Geht es dann vom Schnee an den Strand?
Ich werde erst noch an den Zollmeisterschaften teilnehmen, aber dann steht wirklich der Urlaub in sonnigen Gefilden an.
 
Empfang in Uhingen ist in Planung
Ehrung Regelmäßig heißen die Ski-Zunft Uhingen, der Simon-Schempp- Fanclub und die Stadt Uhingen ihren berühmten Sohn am Ende einer erfolgreichen Saison willkommen. Dies soll auch im Frühjahr 2018 wieder so sein, verrät Willi Hahner, Vorsitzender von Ski-Zunft und Fanclub – allerdings müssen sich alle, die sich auf diesen Termin freuen, noch ein klein wenig gedulden. Nach jetzigem Stand wird es erst Ende April mit einem Besuch des zweifachen Medaillengewinners in seiner Heimat klappen.
Quelle: swp.de/Harald Betz
geschrieben: 10. März 2018 - 18:27